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Staatsmeisterschaft 2010 - Bericht von Alex

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Hallo Freunde,
 
heute habe ich einen besonderen Leckerbisssen für euch. Alex hat sich die Mühe gemacht uns einen tollen Bericht von der Staatsmeisterschaft zu schreiben. Inklusive der Analyse aller seiner Partien! Da kann man sich mal eine Scheibe abschneiden. Solche Berichte möchte ich gerne von allen Turnierspielern haben.
 
Danke Alex!!
 
Meine erste Staatsmeisterschaft: Ein Duell mit Österreichs Schachjugend
 
 
Gleich in der ersten Partie wurde mir meine Kühnheit, ohne irgendeine Vorbereitung in eine Staatsmeisterschaft zu gehen (mit der letzten gespielten Partie im April) zum Verhängnis. Vor allem die neuerliche weitere Bedenkzeitverkürzung auf 90 min (40 Züge) + 30 min sowie 30 sec. pro Zug bedeutet, dass man um 10 Minuten weniger für die ersten 40 Züge hat und ein anspruchsvolles Endspiel nicht mehr zufriedenstellend spielen kann, weil man unweigerlich am Ende mit 30 sec pro Zug dasteht. So ging es mir auch in meiner ersten Partie, wo ich bereits nach 30 (!) Zügen mit 30 Sekunden pro Zug dastand und in der angestrebten Stellung den einfachen Gewinnzug übersah.
 
 
Diagramm (Kirschner A. 2249 – MK Wallner W. 2052; Österr. Staats-MS 2010, Runde 1): Stellung nach dem 30. Zug.
 
Ich zog 31. Db4?? Und konnte nach ….Sf7 nicht mehr gewinnen, die Partie endete wenige Züge später nach der Zeitkontrolle mit Remis. Selbstverständlich führt Sxd6 zum sofortigen Gewinn, da der Lc8 hängt. So hatte ich nach der ersten Runde gleich 5 Elopunkte hergeschenkt.
 
 
 
In der zweiten Partie war gleich mein erstes Zusammentreffen mit einem von Österreichs neuen Jungtalenten, Luca Kessler (U14, Elo 2097). Ich wusste von ihm, dass er zwei Wochen zuvor beim Oberwart Open eine ordentliche Talentprobe abgeliefert hatte und unter anderem gegen GM Stanec remisiert hatte. Ich hatte Schwarz und war schon ordentlich gespannt. Als ich zum Brett kam, saß mir gegenüber ein süßer Bub der mich aus seinen dunkelbraunen Augen groß anschaute. Kaum zu glauben für mich, dass er bei diesem Kampfsport schon so manchen starken Gegner zu Fall gebracht hatte. Wie auch immer, ich hatte eine große Portion Respekt vor ihm, schaffte es aber in den ersten Zügen in eine Variante im Engländer einzulenken, die ich mit Weiß als sehr unangenehm empfinde und war – diesmal mit Schwarz - einigermaßen zufrieden. Ich merke auch bereits im 8. Zug, dass Luca diese Stellung nicht kannte und den richtigen Plan nicht fand. Im 10. Zug machte er bereits einen schweren Fehler, wonach ich das gesamte Brett dominieren konnte und er im 34. Zug die Hand herüber reichte. Die Schlussstellung ist wirklich sehenswert. Luca war total „eingekesselt“, und das mit Weiß. In mir stieg zum ersten Mal ein leichter Verdacht auf, dass unsere Schachjugend zwar taktisch und pragmatisch stark sei, aber bei der Tiefe der Stellungsbeurteilung doch noch großer Mangel herrsche. In so eine Stellung darf man mit Weiß nach wenigen Zügen nicht kommen.
 
Partie (Kessler L. 2097 - Kirschner A. 2249; Österr. Staats-MS 2010, Runde 2)
 
 
Kessler - Kirschner  Endstellung
1.Sf3 c5 2.c4 g6 3.g3 Lg7 4.Lg2 Sc6 5.0–0 d6 6.Sc3 e6 7.e3 Sge7
 meine spezielle Vorbereitung gegen den jungen Burschen, der erst wenige Tage zuvor gegen GM Stanec remisiert hatte 8.a3?! der falsche Plan 8...0–0 Schwarz hat locker Ausgleich 9.Tb1 d5!? [9...Sf5 10.b4 cxb4 11.axb4 a5 12.bxa5 Txa5 13.d4] 10.Sa4? ein wirklich schwacher Zug, danach stand ich bereits deutlich besser 10...dxc4 11.Sxc5 b6 12.Sa4 Dd3 13.Ta1 Td8 14.Se1 Dd7µ 15.Sc2 Lb7 16.Tb1 Sa5 [16...Se5 ist vielleicht noch eine Spur stärker 17.Lxb7 Dxb7 18.f4 Sd3 19.Se1 Tac8 20.Sxd3 Txd3±] 17.Sa1 die Stellung ist abstrus, fast alle weißen Figuren stehen auf der Grundlinie 17...Lxg2 18.Kxg2 Tac8 19.Sc3 Sec6 20.Da4 Dd3 [20...Db7 21.f3 Se5 22.b4 Sac6µ] 21.Dc2 Dxc2 22.Sxc2 Sb3 23.Td1 Se5 Weiß kann sich aus der Umklammerung nicht befreien 24.Se1 f5 25.Kf1 a6 26.Ke2 Sd3 27.Sxd3 cxd3+ 28.Ke1 b5 29.f4 e5 30.Kf2 e4 31.h3 h6 32.Tg1 Lf6 33.Kf1 Kf7 34.g4 a5–+ (Diagramm) Weiß gab auf, weil er in wenigen Zügen eine Figur verliert 0–1
 
Nach diesem leichten Erfolg (ohne Zeitnot!) saß ich zum ersten Mal einem schachlichen Schwergewicht gegenüber, IM Oliver Lehner (Elo 2416), gegen den ich erst einmal vor etwa 15 Jahren gespielt hatte (damals hatte ich gerade erst die 2000-er Grenze übersprungen), und sang- und klanglos untergangen war. Heute hab ich mit Weiß vor keinem Gegner Angst, alle 3 GMs die ich im letzten Jahr hatte, hatte ich leicht abremisiert, dies zu erreichen war auch in diesem Fall mein Ziel. Folgende Stellung ergab sich nach 23 Zügen auf meinem Brett. Ich hatte alle Eröffnungsuntiefen erfolgreich umschifft und befand mich in einer Stellung mit Mehrbauern, dem ein Läuferpaar als Kompensation gegenüberstand.
 
 24.Se5 [24.Db3 Tc7 25.Tad1± Weiß hat einen Mehrbauern aber das schwarze Läuferpaar dürfte genug Kompensation bedeuten] 24...Lf5 25.De2 Tb4 26.Sc4 [26.a3!? Tb3 27.g4?! das traute ich mich nicht, weil der Königsflügel doch arg geschwächt wird 27...Lc8 28.Dc2 Tb6! (28...Db6? 29.Sc4+-) 29.Tad1 h5‚ und nun muss Weiß künsteln] 26...Dc8 27.Se3 Txb2 28.Dxb2 Lxc3 29.Sxf5 gxf5 30.Da3 Lxa1 31.Txa1 Weiß hat minimalen Vorteil [31.Txa1 Td8 32.Dxe7 Txd5 33.Dg5+ Kf8 34.Te1 Dd8 35.Dh6+ Kg8 36.Te3 Td3 37.Te5 Td5 38.Df4 Txe5 39.Dg3+ Kf8 40.Dxe5 Dd1+ 41.Kh2 Dc2 42.f4 De4
43.Dxe4 fxe4 44.g4 Ke7 45.Kg2 Ke6 46.Kf2 b5 47.Ke3 f5 48.Kd4 Kf6=] 31...-- ½–½
 
Diagramm (Kirschner A. 2249 – IM Lehner O. 2416; Österr. Staats-MS 2010, Runde 3): Stellung nach dem 23. Zug.
 
Hier spielte ich im Ausgleichsinne 24. Se5, wonach die Partie nach wenigen Zügen im Remishafen endete. Mit mehr Selbstvertrauen (bzw. einem ELO-schwächeren Gegner) hätte ich 24. Db3 Tc7 25. Tad1 gespielt, und versucht mit dem Mehrbauern die Partie zu gewinnen. Wie auch immer, ich war zufrieden, vor allem mit der Leichtigkeit mit der ich gegen die Nummer 7 des Turniers ein Remis erreicht hatte.
 
In Runde 4 hatte ich wieder Schwarz und – mit IM Mahdi Khaled, Elo 2395 – einen Angstgegner, gegen den ich in den letzten Jahren alle Partien verloren hatte. Das Problem dabei war nicht nur die Verlustserie, sondern auch, dass „Khaletto“ ein extrem sympatischer Mensch ist, sodass ich ihm wegen der Verluste nicht mal böse sein konnte und mein Aggressionspotenzial, das bei einer erfolgreichen Schachpartie irgendwie auch vorhanden sein sollte, nicht besonders erhöht war. Der Leser kann sich den Ausgang der Partie bereits denken, ich verlor erneut. Diesmal allerdings völlig unnötig, denn ich konnte nach schlechter Eröffnung in ein ungleichfarbiges Läuferendspiel mit Minusbauern einlenken, und dabei zwei Mal ganz leicht die Türme tauschen und die Partie wäre Remis gewesen, aber – erneut in Zeitnot und in einer Art „self-fulfilling prophecy“ – sah ich die Züge zwar, aber ich machte sie nicht.
 

Diagramm (IM Mahdi K. 2395 – Kirschner A. 2249; Österr. Staats-MS 2010, Runde 4): Stellung nach dem 27. Zug von Weiß. Hier spielte ich 27…. Sf4 und nach 28.Sxf4 konnte ich auf zwei Möglichkeiten zurücknehmen, beide führen zum Remis. Am einfachsten war Txf4 und nach dem Abtausch des Turmes auf f2 im nächsten Zug kann Schwarz nicht einmal verlieren, wenn er den h-Bauern verliert, weil Schwarz jeden weiteren Fortschritt für Weiß auf den schwarzen Feldern ganz einfach blockieren kann. Ich spielte hier 28…. gxf4, und nach 29. Lf3 wäre auch …Te7 ganz leicht remis gewesen. Um die Türme zu tauschen, spielte ich aber 29…..Kd7 (?), weil ich nicht sah dass der Lh5 den Te7 deckte und danach drang der Turm auf e5 ein, ich verlor den h - Bauern und die Partie.
 
 
Naja, ich war zwar etwas geknickt, aber nachdem ich elo-mäßig noch ausgeglichen war und in der nächsten Runde wieder Weiß hatte, war ich weiterhin motiviert trotz dieses Patzers. Mein nächster Gegner hieß Daniel Schnegg (ELO 2199, U20), und gehörte zu den erfolgreichen Jungspielern, von denen ich in der letzten Zeit einiges gelesen hatte. Natürlich war er schon älter und stärker als Luca Kessler, aber auch hier merkte ich Schwächen in der strategischen Stellungsbeurteilung, die dazu führte dass ich nach 16 Zügen folgende Stellung erreicht hatte.
 
 
Diagramm (Kirschner A. 2249 – Schnegg D. 2199; Österr. Staats-MS 2010, Runde 5): Stellung nach dem 16. Zug.
 
Die schwarzen Felder von Schwarz am Damenflügel sind geschwächt, Weiß hat Raumvorteil und einen Vorposten auf d6. Der einzige Nachteil von Weiß ist die Schwächung der Diagonale g1-a7 durch den Zug f2-f3, den mein Gegner ganz pragmatisch provoziert hatte. Weiß hat nichts Konkretes und es wäre hier sicher das Beste, vor allen Verwicklungen den König mit 17. Kg1-h1 aus der Schusslinie zu stellen, wonach er leichten aber dauerhaften Vorteil hat. Ich aber schaute zig Minuten in die Stellung bis ich mich zur folgenden Abwicklung entschloss, nach der ich mit dem Turm auf b7 eindringen konnte. Diese Stellung schätzte ich als vorteilhaft für mich ein, aber aufgrund der geschwächten Königsstellung (g1-a7 Diagonale) hat Schwarz locker Ausgleich. Ich merkte dies und grübelte wieder lange Zeit über ein Figurenopfer durch 21. Txd7 Sxd7 22. Sd5 nach, traute mich dann aber doch nicht (zurecht wie die Analyse mit Fritz zeigte, weil der schwarze e-Bauer schnell sehr stark wird) und spielte stattdessen ohne lange nachzudenken
 
Kirschner - Schnegg (vor 21.Tb6??)
21. Tb6??, wonach Txd6 folgte und ich frustriert sofort aufgab. Mein Kampf mit Österreichs Schach-Jugend stand also 1:1. Was nutzt somit jede ausgezeichnete strategische Stellungsbeurteilung, wenn man taktisch einen Einzüger übersieht? Ein entsetzlicher einfacher Bock, der mich sehr deprimierte und mich sogar kurzfristig dazu veranlasste mit dem Gedanken zu spielen, das Turnier zu beenden. Zum Glück traf ich beim Hinausstürmen auf den Turnierdirektor (FM Pöcksteiner) der mich fragte was denn los sei und der mir auf meine kurze Antwort nachrief, dass sowas doch immer wieder vorkomme und ich mich doch für die nächste Partie wieder motivieren sollte.
 
 
 
Nach einem ausgedehnten Spaziergang von der Schnellbahn nach Hause durch den wunderbar sommerlichen Wienerwald war zwar mein Zorn auf meine Dummheit größtenteils verraucht, aber von Motivation war weit und breit nichts zu spüren, auch am nächsten Tag nicht. Ich fuhr ohne Vorbereitung zum Turnier und wollte die Partie gegen meinen neuen Gegner (CM Manhardt Thomas, ELO 2145) so schnell wie möglich abwickeln. Ich hatte eine neue Eröffnungsvariante im Franzosen ausprobiert um Vorbereitungen des Gegners zu vermeiden und hatte nach 16 Zügen und nur 14 verbrauchten Minuten (mein Gegner hatte bereits mehr als 1 Stunde verbraucht) folgende Stellung am Brett.
 
 
16...h6 17.Sf7? [17.Sf3 0–0–0=] 17...0–0!!–+ Weiß hatte wohl nur mit Tf8 gerechnet! [17...Tf8? 18.Dh7 Sd8™ (18...Txf7 19.Txf7 Kxf7 20.Tf1++-) 19.Sxd8 Dxd8 20.Dxg7 Kd7 21.Kh1 Tg8 22.Df7 De8 23.Dxe8+ Taxe8² Weiß hat zwar einen Bauern mehr aber die Gewinn ist schwierig ] 18.Sxh6+ gxh6 19.Lxh6 Txf1+ 20.Txf1 De8 [20...Sxd4!? hatte ich zwar gesehen, aber wegen taktischer Gegen-Motive darauf verzichtet 21.Tf7! Sdf5 22.Txe7 Dxe7 23.gxf5 Sxf5 24.Sxd5 Dc5+ 25.Se3 Dxe5 ist laut Fritz zwar leicht gewonnen, aber doch nicht so einfach zu berechnen] 21.Kh1 Dg6
 
Diagramm (CM Manhardt T. 2145 – Kirschner A. 2249; Österr. Staats-MS 2010, Runde 6): Stellung nach dem 16. Zug von Weiß.
 
Ich spielte 16. …h6, in Erwartung von 17.Sf3, aber mein Gegner „sprang“ mit 17. Sf7 in die verlockende Falle, die ich ihm gestellt hatte. Der Springer verhindert von hier gleichzeitig die von mir angestrebte große Rochade und greift den Turm auf h8 an. 17….Tf8 scheitert an 18. Dh7 Txf7 19. Txf7 Kxf7 20. Tf1 mit Gewinn, aber niemand hat jemals behauptet, dass man bei angegriffenem Turm nicht klein rochieren darf! Also 17….0-0 (!) und Schwarz gewinnt eine Figur und die Partie! Im 37. Zug gab mein Gegner auf und ich hatte nicht mehr als eine halbe Stunde Bedenkzeit verbraucht.
 
Ich war danach zwar froh aber nicht viel motivierter als zuvor und so spielte ich die Partie gegen meinen Gegner CM Riedner Martin (ELO 2170) am folgenden Tag ebenfalls locker in Rekordzeit. Nach 20 Zügen ergab sich folgende interessante Stellung.
 
Diagramm (Kirschner A. 2249 – Riedner M. 2170; Österr. Staats-MS 2010, Runde 7): Stellung nach dem 20. Zug.
21.0–0! wirklich dynamisch gespielt. Weiß kümmert sich nicht um die Bauern, sondern schaut auf starke Figurenentwicklung 21...Lxc4 22.Tf4 Eine höchst interessante Stellung: Weiß hat zwar einen Bauern weniger, aber der Springer auf a6 ist schwach sowie auch alle Bauern. 22...Lxc3?! darauf sollte sich Schwarz besser nicht einlassen, aber auch so wars schon schwer 23.bxc3 Le2 24.Td4 Tad8 [24...Lf3? 25.Lf1! e3 (25...Sb8 26.Lc4+ Kg7 27.Tf7+ Kg6 28.Lf4 Sd7 29.Tdxd7 ebenfalls mit Matt) 26.Lc4+ Kg7 27.Tf7+ Kg6 28.Tdf4 e2 29.T4f6+ Kh5 30.Lxe2 Txe2 31.Lf4 Te1+ 32.Kf2 Te2+ 33.Kf1 Te1+ 34.Kxe1 Te8+ 35.Kf1 Le2+ 36.Kf2 Sc5 37.Th6#] 25.Lxe4± Weiß hat den Bauern zurück, das Läuferpaar und die aktivere Figurenstellung 25...Te6 26.La3 [26.Lc5 Tde8 27.Lxa7 c5 28.Ta4 Td6 29.Kf2 Ld1 30.Ta5 Te5; 26.Le5? Tde8! 27.Kf2 Txe5 28.Kxe2 h5 29.Kd2 c5 30.Td6 Txe4 31.Txe4 Txe4 32.Txa6 Te7²; 26.Kf2! Texd6 27.Txd6 Txd6 28.Kxe2 h5 29.Tf5 Th6 30.Ta5 Sc7 31.c4+-] 26...Txd4 27.cxd4 h5?? [27...Sc7± 28.Lf5 Te3 29.Ld6 Sd5 30.Te4 Txe4 31.Lxe4] 28.d5 Te8 29.dxc6 Lb5 30.Ld6 Tc8 31.Ld5+ Kg7 32.c7 Sxc7 33.Tf7+ Kg6 34.Txc7 Td8 35.Le4+ 1–0
 
Schwarz gewinnt offensichtlich einen Bauern, aber alle seine Bauern sind schwach, sein Springer steht auf a6 im Abseits, noch dazu ist in einigen Varianten der schwarze König anfällig.
 
Ich zog hier, ohne lange zu überlegen, 21. 0-0! Lxc4 22. Tf4 und fühlte mich sehr wohl. Hier überlegte mein Gegner lange und entschloss sich wirklich dazu den Lg7 gegen den Sc3 zu tauschen. Dies ist aber fragwürdig, wie die nächsten Züge zeigen. Im 27. Zug war hatte mein Gegner bereits etwas Zeitnot und es passierte ein schwerer Fehler, nachdem die Partie sofort zu Ende ging. Ich hatte meinen zweiten Sieg in Folge und war mit den Elos wieder minimal im Plus, das Turnier konnte also möglicherweise doch noch positiv abgeschlossen werden.
 
In der 8. Runde wartete der nächste starke Jugendspieler Georg Fröwis (U18, ELO 2279), der bei der letzten Staats-MS 2009 ausgezeichneter Fünfter geworden war. Nachdem er immer wieder die Eröffnung wechselte, konnte ich mich nicht wirklich auf ihn vorbereiten, nahm mir aber fix vor, relativ früh meine eingefahrenen Wege zu verlassen, nachdem ich annahm dass er sich sicher gut auf mich vorbereitet hatte. Schlimmerweise wich aber er schon einen Zug vorher in eine giftige Nebenvariante ab, die er (wie sich nachher bei der Analyse herausstellte, wo er mir die Varianten nur so um die Ohren klopfte ) genau angesehen hatte, und ich saß nach 8 Zügen da, und konnte mich an die Theorie nicht mehr erinnern.
 
Partie (Fröwis G. 2279 - Kirschner A. 2249; Österr. Staats-MS 2010, Runde 8)
 
1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sc3 Lb4 4.e5 c5 5.Dg4 Se7 6.dxc5 Sbc6 7.Ld2 0–0 8.Ld3 wird selten gespielt 8...Lxc5= [laut Theorie ist das der Wahnsinnszug! 8...d4!? sehr riskant, da muss man sich schon gut auskennen! 9.Sf3 dxc3 10.bxc3 Sxe5! (10...Lxc5 11.Lxh7+ Kxh7 12.Sg5+ Kg8 13.Dh5 Dxd2+ 14.Kxd2 Td8+ 15.Ke1 Sg6 16.Td1 Txd1+ 17.Kxd1 Scxe5÷) 11.Lxh7+ Kxh7 12.Dh5+ (Aber: 12.Dh3+! Kg8 13.Sg5 Te8 14.Dh7+ Kf8 15.Dh8+ Sg8 16.Sh7+ Ke7 17.Dxg7 Dxd2+ 18.Kxd2 Td8+ 19.Ke2 Lxc3 20.Tad1 Ld7 21.Td6 Lb5+ 22.Kd1 Tac8 23.Dg5+ f6 24.De3 Txd6+ 25.cxd6+ Kxd6 26.Kc1 Ke7 27.Dxa7 La6 und die Kompensation für Schwarz ist unklar) 12...Kg8 13.Sg5 Dxd2+!! 14.Kxd2 Td8+ 15.Ke2 Lxc3 16.Thd1 Sd5 17.Dh7+ Kf8µ; 8...Lxc3!? wahrscheinlich am sichersten! 9.bxc3?! (9.Lxc3 d4 10.De4 Sg6 11.Ld2 Scxe5 12.Se2 Sxd3+ 13.cxd3 e5 14.0–0 f5³) 9...Sxe5 10.Lxh7+ Kxh7 11.Dh5+ Kg8 12.Dxe5 f6µ] 9.Sf3 [9.Sa4 Sxe5 10.Lxh7+ Kxh7 11.Dh5+ Kg8 12.Sxc5 Sc4µ] 9...Sg6 10.Dh5 Sb4! dadurch hat Schwarz Ausgleich, auch wenn noch einige taktische Finessen zu überstehen sind 11.Sg5 soll den Königsflügel schwächen 11...Sxd3+ 12.cxd3 h6 13.Sf3 De8 [13...Ld7 geht auch, Weiß kann nicht gewinnbringend opfern 14.Lxh6 gxh6 15.Dxh6 Te8 (15...Le7 16.h4 Te8 17.Sg5 (17.Th3 Lf8 18.Dh5 Lg7 19.Sg5 Db6 20.Tf3 Sxe5 21.Txf7 Sxf7 22.Dxf7+ Kh8 23.0–0–0 Dc7 24.Dh5+ Kg8=) 17...Lxg5 18.hxg5 Db6 19.0–0–0 Dd4–+) 16.Sg5 Sf8 17.h4 Dc7 18.Df6 Lc6 19.Th3 Sh7 20.Sxh7 Kxh7 21.Dg5 Lf8 22.Dh5+ Lh6 23.Tf3 Kg7 24.Tg3+ Kh7=] 14.d4 Le7 15.h4 f6 16.Dg4 h5! 17.Dg3 [17.Dxh5 Sxe5 18.Dxe8 Sxf3+ 19.gxf3 Txe8µ] 17...fxe5 18.dxe5 Ld7 19.0–0 Tc8! hier ginge auch das Qualitätsopfer auf f3 aber wozu sollte ich in der Stellung riskieren, wenn ich auch so aktiv spielen konnte [19...Txf3 20.Dxf3 Sxh4 21.Dh3 Tc8 und Schwarz hat hier bestenfalls Ausgleich] 20.Sg5 Tc4 21.f4 Lxg5 ich entschied mich den starken Springer zu nehmen, aber die Alternative ist laut Fritz stärker [21...Lc5+ 22.Kh1 Se7 23.Dh3 Lb6 24.Tac1 Sf5 25.b3 Tc8 26.Sa4 Lxa4 27.bxa4 Dd7µ] 22.hxg5 [¹22.Dxg5 Tf5 23.Dg3 Kh7³] 22...Se7 23.b3 Sf5 24.Df2 Td4 25.Tad1 a6 26.Le3 Txd1 27.Txd1 Dg6 28.Tc1 Tc8 29.Se2 Txc1+ 30.Lxc1 Lb5 31.Sc3 Lc6 32.Le3? 
 
Fröwis - Kirschner (nach 34. ..Kh7!)
verleitet Schwarz den starken Springer gegen den schwachen Läufer zu tauschen, aber genau das ist in diesem Fall gut für Schwarz![32.Se2 h4 33.Kh2 Dh5 34.Lb2 Dg4 35.Sd4 Sxd4 36.Lxd4 Lb5 37.Df3 Dxf3 38.gxf3 Lf1=] 32...Sxe3 33.Dxe3 Dc2! Schwarz hat einen Plan, Weiß hingegen kann nur abwarten [33...d4 34.Dxd4 Dc2 35.Dd8+ Kh7 36.g6+ Dxg6 37.Dd2 Dg3 38.Sd1³ die schwarze Stellung ist zwar besser aber wahrscheinlich nicht zu gewinnen] 34.Dd4 Kh7! (Diagramm) die Königswanderung entscheidet!! 35.b4 Kg6 36.Kh2 Kf5 37.a3 Lb5–+ 38.Sd1 De4! die Stellung ist gewonnen, der Rest ist Sach der Technik 39.Dc3 Dxf4+ 40.g3 De4 41.Sf2 Dxe5 42.Dc2+ Kxg5 43.Sh3+ Kh6 44.Sf4 Df6 45.Dc8 g5! 46.Sg2 Lc6 47.a4 d4 48.b5 axb5 49.axb5 Lxb5 50.Dxb7 Lf1 51.Dc8 e5 52.g4 Le2 53.gxh5 Lxh5 54.Kg3 e4 55.Dd7 e3 56.Dc8 e2 57.Kh2 De5+ 58.Kh3 g4+ 59.Kh4 mein Gegner ließ sich das Matt wirklich zeigen, der Patzer! 59...Dh2# 0–1
 
Durch meine Unkenntnis der Theorie spielte ich nicht die bekanntesten stärksten Züge, aber anscheinend doch spielbare Alternativen. Nachdem ich mich „herausgewurschtelt“ hatte, erlangte ich die bessere Stellung, bedingt durch den Freibauern im Zentrum und die Möglichkeit den König über die weißen Felder zu aktivieren. Dies hatte ich bereits früh im Auge gehabt und das Endspiel für mich besser eingeschätzt. Mein junger Gegner hingegen hatte sich auf seine Vorbereitung und taktischen Tricks verlassen, ohne in die Tiefe der Stellung einzudringen, und fiel so dem schwarzen langfristig angelegten Positionsvorteil zum Opfer. Also noch ein Beispiel für die strategischen Schwächen der jungen österreichischen Spieler, welches letztendlich zu einem 2:1 Sieg für mich gegen die Schachjugend führte.
 
 
In der 9. Runde hatte ich einen alten Bekannten aus OÖ (FM Druckenthaner Andreas, ELO 2301) gegenüber, gegen den ich in einer Turnierpartie erstaunlicherweise noch nie gespielt hatte. Aufgrund des hervorragenden Badewetters einigten wir uns nach 12 Zügen in ausgeglichener Stellung auf Remis und meine erste Österr. Staats-MS war schon wieder Geschichte. Ich hatte letztendlich doch noch 11 ELO Punkte gewonnen und ein paar sehr spannende und wunderschöne Partien gespielt. Die drei Partien gegen Österreichs Schachjugend werden besonders in meinem Gedächtnis bleiben, insbesondere weil ich zeigen konnte, dass ich noch nicht zum alten Eisen gehöre, und unserer Jugend doch noch das eine oder andere beibringen kann.